Dienstag, 25. Juni 2013

La Familia

Es folgt ein undiplomatischer, wenn nicht sogar politisch inkorrekter Beitrag: 

Was ist schlimmer als mit einer Gruppe von gefühlt hundert Italienern zusammen zu wohnen? Genau, mit zwei Gruppen von Italienern zusammen zu wohnen, die sich nicht mögen. 

Bisher herrschte Frieden in unserer niedlichen französischen WG-Villa. Wir waren zwei Deutsche, zwei Irinnen, zwei Italienerinnen und eine Spanierin. Da war die Welt noch in Ordnung. Spanien war höflich und zurückhaltend, Irland war nur am Feiern, Deutschland hat aufgeräumt (...) und Italien hat das gemacht, was Italien offensichtlich immer macht: schreien und essen. Miteinander haben wir meist Französisch, manchmal auch Englisch gesprochen. 

Dann der große Wechsel: Meine deutsche Zimmernachbarin Lisa zog aus. Genauso wie die spanische Elisa. Dafür kamen vier weitere Italiener zu uns, die gefühlt jeweils 100 andere italienische Freunde haben, die sich die meiste Zeit des Tages auch bei uns aufhalten. Betritt man die Küche, um nur eben einen Jogurt aus dem Kühlschrank zu nehmen, hat man schon verloren. Dann wird man von allen Seiten auf Italienisch angesprochen. Und man kommt nie wieder aus der Küche raus. 

Normalerweise nutze ich meine Mittagspause preferierterweise dafür, mich von den Franzosen, die den Rest des Tages nervös auf mich einreden, zu erholen. Das funktioniert nun allerdings nicht mehr, da mittags immer ein großes italienisches Familientreffen in unserer Ruhezone stattfindet. Ich habe zwar auch mal zwei Monate in Italien gelebt, doch bin ich wirklich erstaunt, wie anstrengend Italien sein kann. 

Ich muss fairerweise dazu sagen: Gastfreundschaft können sie, die Italiener! Gestern standen plötzlich sechs Italiener vor mir in der Küche, um mich auf fritalienisch (französisch und italienisch) zu fragen, ob ich mit ihnen essen möchte. Die Formulierung "Wir haben uns das gemeinsam überlegt" machte mir ein wenig Angst. Möchte ich doch ungern einbetoniert in einem Fluss versenkt werden, falls ich die Meeresfrüchte-Pizza ablehnen muss. 

Apropos Familia: Fünf Minuten später stand meine wirklich äußerst charmante und nicht ganz so laute Mitbewohnerin Agnese vor mir und fragte mich auch, ob ich mit Ihnen essen möchte. Diesmal fiel der Satz: "Die Familie fragt sich, warum du nicht mit ihr essen möchtest" oder so... Und auf einmal stand sie vor mir, die Familie. Und es war tatsächlich die Familie, denn Agneses Eltern aus Palermo (das ist Silizien) waren zu Besuch. Außerdem - weil italienische Familien nicht kleiner als 6-köpfig sein dürfen - hatten sich alle anderen Italiener, die nicht zur anderen Gruppe gehörten, dazugesellt, um mich zum Essen zu überreden. Da ich leider tatsächlich anderweitig verabredet war (mit einem französischen Film in meinem Bett), musste ich beiden "Familien" absagen. Ob ich das überleben werde....

Später am Abend bekam ich eine Nachricht meiner irischen Mitbewohnerin Ruby (ich nenne sie bubi, weil ich das "r" nicht rollen kann), die etwas vereinsamte in ihrem Zimmer. Da mir auch gerade der Sinn nach einem Ausflug ins Erdgeschoss stand, gesellte ich mich zu Ruby. Eine gute Idee, wie sich herausstellte, denn wenn man Rubys Zimmertür offenlässt, kann man direkt ins Wohnzimmer - auch Klein-Palermo genannt - schauen. So konnten wir quasi wie im Kino das Ende des Familientreffens miterleben. Es lief äußerst friedlich ab. Aber schlimme Dinge passieren ja eh meist im Untergrund... 

Es folgt ein diplomatischeres Ende: 

Ich freue mich natürlich über meine neue Bespaßung aus Italien. Und die Mafia gibt es gar nicht... 

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